Rechtliche Vorgaben: Warum die AfD in Sachsen an Formalien scheitert

Die Bürgermeisterwahl in Großschirma muss auch wegen eines Formfehlers von AfD-Mann Rolf Weigand wiederholt werden. Es ist nicht das erste Missgeschick, das sich die AfD und ihre Mitglieder leisten.

Rolf Weigand versteht die Welt nicht mehr: Der AfD-Mann wendet sich am Freitagnachmittag an die Öffentlichkeit, als seine Wahl zum Bürgermeister in der Gemeinde Großschirma nichts mehr wert ist. Gleich drei Verstöße gegen die Vorschriften hat der Landkreis Mittelsachsen schließlich festgestellt. Unter anderem fehlte Weigands gesetzlich geforderte „eigenständige Unterschrift“ auf dem Wahlvorschlag. In Großschirma muss neu gewählt werden.

Das Video, das Weigand bei Facebook verbreitet, zeigt ihn in der Natur. Er trägt ein weißes Kurzarmhemd, im Hintergrund zwitschern Vögel. Das Landratsamt „will meine Amtsübernahme verhindern“, sagt Weigand in die Kamera. „Fast 60 Prozent“ der Stimmen habe er am 3. März erhalten.

Formfehler haben bei der AfD fast Tradition

„Fakt ist, am 30. November 2023 habe ich alle meine Unterlagen als Kandidat bei der Gemeindewahlleiterin in Großschirma abgegeben“, sagt Weigand. Falls ein Formfehler vorgelegen habe, hätte man ihn mit „minimalem Aufwand“ lösen können. Er frage sich, warum es keinen „Ermessensspielraum“ bei diesem klaren Wahlergebnis gebe?

Die Angelegenheit in Großschirma könnte eine Petitesse sein. Ein Einzelfall ist sie aber auf keinen Fall. Bei der Alternative für Deutschland häufen sich die Missgeschicke: Immer wieder scheitert die „Rechtsstaatspartei“, als die sich die AfD sieht, an Vorgaben.

Panne im Dresdner Wahlausschuss

Das bekannteste Beispiel dafür ist die Liste zur Landtagswahl 2019. Vor fünf Jahren konnte die sächsische AfD eine rechtssichere Vergabe ihrer Listenplätze nicht garantieren. Der Sächsische Verfassungsgerichtshof ließ schließlich eine gekürzte Liste zu. Mithilfe eines Untersuchungsausschusses wollte die AfD seit der Landtagswahl eine „Verstrickung der Staatsregierung“ bei der Kürzung nachweisen. Von der eigenen Verantwortung ist keine Rede mehr.

Am vergangenen Freitag gefährdete die AfD mit ihrem Vorgehen die kommende Kommunalwahl in Dresden: Da erlebte der Gemeindewahlausschuss in der Landeshauptstadt eine böse Überraschung. Er stellte nämlich fest, dass der AfD-Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Zickler für den Stadtbezirksbeirat in der Dresdner Neustadt kandidiert. Allerdings stimmte er als stellvertretendes Mitglied im Gemeindewahlausschuss auch über die Zulassung der Wahlvorschläge ab. Dabei schließt das Kommunalwahlgesetz dies eindeutig aus.

AfD schiebt Pannen auf bürokratische Hürden

Der Wahlausschuss versuchte, den Makel auf die Schnelle zu heilen. Der Kreiswahlleiter beorderte ein anderes AfD-Ausschussmitglied zur Sitzung, Zickler wurde abgelöst. Die Sitzung begann noch einmal von vorne. Ob damit alle rechtlichen Bedenken ausgeräumt wurden, gilt mindestens als unsicher.

Für AfD-Generalsekretär Jan Zwerg sind die jüngsten Pannen in Großschirma und Dresden kein Zeichen der eigenen Schwäche. Im Gegenteil: „Es ist extrem ärgerlich, wenn Bürokratie die Demokratie zu ersticken droht. Es muss für jeden Bürger in Sachsen möglich sein, ohne Jura-Studium zu einer Wahl – gerade in unseren Kommunen – antreten zu können“, sagt er. „Zur Stärkung der Demokratie erwarten wir deshalb den Abbau bürokratischer Hürden und unsinniger Formalitäten.“

Grüne sprechen von „Dilettantismus der AfD“

Bei den anderen Parteien können sie über diese Interpretation höchstens lachen. Dort urteilt man deutlich schärfer über die Nachlässigkeiten: „Der Dilettantismus der AfD und das Ignorieren von Vorschriften gefährdet die Durchführung von Wahlen im Freistaat Sachsen und damit das Vertrauen in die zentrale Säule unserer Demokratie“, sagt Valentin Lippmann (Grüne). „Dass die AfD offenbar wiederholt nicht in der Lage ist, grundlegende Formalia einzuhalten, spricht für ihre mangelnde Akzeptanz unseres politischen Systems.“

Lippmann sieht ebenso die Wahlbehörden in der Pflicht: Sie müssten sich die Frage gefallen lassen, „wieso sie teils gravierende Fehler der AfD übersehen haben“.

SPD-Chef: AfD präsentiert Verschwörungstheorien

Auch SPD-Chef Henning Homann hält die Taktik der AfD für leicht durchschaubar: „Es ist eine erwartbare Strategie, dass die AfD, wie in Großschirma, eine Verschwörungsgeschichte präsentiert, statt eigene Fehler einzugestehen.“ Die Partei probiere, aus ihrem eigenen Versagen politisches Kapital zu schlagen. „Sie nimmt dafür in Kauf, dass demokratische Institutionen und öffentliche Verwaltungen lahmgelegt werden.“

Die neuangesetzte Wahl in Großschirma könnte allerdings ein Nachspiel haben: Fast-Bürgermeister Weigand prüft aktuell, ob er gegen die Entscheidung des Landkreises rechtliche Schritte einleitet.

Landrat nutzt Post zur Klarstellung

Die Debatte über die Neuwahl zehrt augenscheinlich an den Nerven mancher Amtsträger. Mittelsachsens Landrat Dirk Neubauer (parteilos) nahm am Samstag einen Artikel über die Neuwahl zum Anlass, auf der Plattform X in mehreren Posts etwas klarzustellen. „Eine Wahl ist keine Tombola“, schrieb er. AfD und Co. versuchten, Chaos zu stiften und eigene Fehler anderen zuzuschreiben: „Das System an sich in Glaubwürdigkeit erschüttern. Alle beschädigen, die dafür einstehen.“

Auch das hat Tradition: Die AfD oder ihre Mitglieder leisten sich einen Fauxpas – mit dem politischen Flurschaden müssen andere umgehen.